Friedenspreis 2020 – Dankesrede

Vortragende

Im Rahmen der kleinen Feierstunde im Hildesheimer Rathaus zur Übergabe des Hildesheimer Friedenspreis 2020 bedankten sich Marietta Tebbenjohanns und fünf geflüchtete Menschen aus Somalia, dem Irak, Eritrea, Syrien und dem Sudan mit folgenden Worten.


Marietta Tebbenjohanns

Was für eine große Ehre!
Der Friedenspreis der Stadt Hildesheim für FLUX!
Vor fast 6 Jahren haben wir begonnen.
Mit der christlichen Nächstenliebe im Herzen und viel Energie in den Händen.
Die Bilder der Vielen, die entwurzelt, ohne Sprache und ohne Perspektive nach Deutschland strömten, sind uns allen heute noch im Kopf.
Durch diese Bilder wurden so viele weitere Helfer aktiviert. Hunderte haben sich im Laufe der Jahre FLUX angeschlossen. Auch wenn sich Zeitfenster für Ehrenamtliches Engagement öffnen und schließen, sind auch heute noch über 200 Helfer bei FLUX aktiv.

Viele Hände bewirken viel!
Was durften die vielen Hände von FLUX unterstützen?
Davon erzählen nun stellvertretend für viele, die sich bisher an FLUX gewendet haben, fünf Menschen aus fünf verschiedenen Ländern.
Ihr alle seid als Geflüchtete nach Hildesheim gekommen.
In der Zwischenzeit seid Ihr zu Neubürgern geworden.
Ihr macht unser Leben bunter und schöner!

Vielen Dank, lieber Abdulkadir, lieber Saad, liebe Aster, lieber Aziz und lieber Salih, dass ihr heute hierher gekommen seid und uns von Euren Werdegängen berichtet.

Abdulkadir, Somalia

Ich bin Abdulkadir Abdullahi, komme aus Somalia und habe meine Heimat im Alter von 23 Jahren verlassen. Die Reise war nicht einfach aber ich musste das machen, weil es in meiner Heimat Krieg gab.

2013 bin ich nach Hildesheim gekommen. Der erste Schreck war die Sprache. Ich konnte nichts verstehen, war fremd und allein.
Ich musste Kontakt aufbauen aber ohne die Deutsche Sprache konnte ich es nicht. Daher habe ich einen Sprachkurs bei der Volkshochschule angefangen und stufenweise, A1, A2 bis B1 Deutsch gelernt. Dann habe ich ein Berufsvorschuljahr besucht. Sie haben mich genommen, obwohl ich schon 24 Jahre alt war. Alle anderen waren viel jünger. Ich war da der Opa.

Dort habe ich auch zwei Praktikum gemacht. Eins als Kaufmann bei Rewe. Das war nicht mein Ding. Eins auf dem Bau. Das war gut. An der frischen Luft und so. Da habe ich dann auch eine Ausbildung als Mauerer begonnen. Und die Gesellenprüfung geschafft. Erst einmal habe ich dann als Geselle gearbeitet, aber ich wollte weiterbilden. Also habe ich einen Meisterkurs angefangen in dem ich momentan noch bin.
Zwei Teile habe ich schon geschafft. Im Oktober beginnen die letzten beiden Teile. Das dauert 7 Monate. Es ist schwer, aber wir schaffen das.

Ich bin froh, dass FLUX mich unterstützt. Mein Ziel ist, Bauingenieur. Aber das ist sehr schwer. Ich würde mein bestes geben, dass ich mein Ziel erreichen kann.
Danke.

StolzeMaenner

Saad, Irak

Hallo zusammen, ich freue mich, dass ich hier bin.
Ich bin Saad Muhammad, und komme aus dem Irak, im Alter von 34 Jahren. Ich habe in meinem Land Arabische Sprache und Religion studiert und mit erfolgreich sehr gut abgeschlossen. Dort habe ich fast 3 Jahre als pädagogischer Lehrer für arabische Sprache und Grammatik gearbeitet.

Ende 2015 bin ich wegen des Krieges nach Deutschland gekommen. In den ersten Monaten, als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich harte Monate gelebt, ich war alleine, weder Familie noch Freunde, und alles war neu für mich. Ich konnte weder Deutsch noch Englisch sprechen. Außerdem musste ich 19 Monate auf das Aufenthaltsrecht warten und in diesen Monaten durfte ich Sprachkurse nicht besuchen. Aber ich habe selbstständig angefangen, Deutsch zu lernen, wie z. B. YouTube-Clips anzusehen, Nachrichten auf Deutsch zu hören, Filme anzuschauen usw.

Die deutsche Sprache ist wirklich schön, aber auch sehr schwierig, dass es in der Sprache viel Grammatik gibt, macht sie zu einer schwierigen Sprache.
Seit über zwei Jahren bin ich immer noch mit dem Flux verbunden. Ich bin sehr zufrieden mit dem Flux. Dort konnte ich meine Sprache verbessern und viele netten Menschen gefunden, die mich unterstützt haben und mir sehr geholfen haben, insbesondere Frau Hermeling und Frau Tebbenjohanns und den anderen.

Was wichtig für mich ist, dass ich ein Sprachkurs in der OKS besucht. Dort hat mir Einer meiner ehemaligen Lehrerin Frau Schimmelpfennig sehr geholfen, wie z.B. meine Bachelor-Abschlüsse zu übersetzen und anzuerkennen und mich dann für ein Praktikum in einer Grundschule zu bewerben. Ich habe dann einen Monat als Praktikum an der GTS-Grundschule gemacht und dann habe ich 15 Monate als pädagogischer Mitarbeiter gearbeitet.
Letztes Jahr habe ich ein Jahr lang an einem intensiven Sprachkurs in der Hochschule HAWK teilgenommen.

Vor einigen Monaten habe ich mich bei der Landesschulbehörde beworben, um als pädagogischer Lehrer zu arbeiten. Ich habe dann eine positive Antwort erhalten, dass eine der Voraussetzungen für diesen Job C1 Niveau ist. Ich habe die Prüfung geschrieben und den schriftlichen Teilprüfung bestanden. Nun fehlt mir nur noch der mündlichen Teilprüfung. Ich werde den Teilprüfung bald ablegen und hoffe, sie erfolgreich zu bestehen.

Schließlich: Mein zukünftiges Ziel ist, im Lehramt als Lehrer zu arbeiten. Ich finde es schön, wenn die arabischen Kinder, ihre Muttersprache lernen und schreiben lernen. Das ist mein Ziel und ich gebe nicht auf, bis ich es habe.
Vielen Dank für euer zuhören

Aster, Eritrea

Ich heiße Aster, komme aus Eritrea. Ich bin seit Ende 2015 in Deutschland. Ich bin 24 Jahres alt. Ich habe mit 19 Jahren mein Heimatland verlassen, weil es dort eine Diktatur gibt und ich für mich keine Zukunft gesehen habe. Als ich von Friedland nach Hildesheim gekommen bin, habe ich am selben Tag bei FLUX Frau Dr. Clausen kennengelernt, die mich immer noch unterstützt. Ich werde es nie vergessen für mein Leben lang, wie es am Anfang schwierig war. Die Fremde, die Kultur, vor allem die Sprache usw. Weil ich kein Deutsch konnte, habe ich versucht mich mit Händen, Mimik und ein bisschen Englisch zu verständigen.

Durch FLUX wurde mir ein Praktikumsplatz bei einem Zahnarzt vermittelt, wo ich 3 Monate war. Danach habe ich ein Jahr einen Deutschkurs besucht und durfte dann in der Praxis ein EQ (Einstiegsqualifizierung) absolvieren. Danach wurde mit ein Ausbildungsplatz angeboten. Ich bin jetzt im dritten Ausbildungsjahr zur Zahnmedizinischen Fachangestellten. Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich einen sehr lieben und netten Chef und Kollegen habe. Wenn ich meine Prüfung im nächsten Sommer bestehe, möchte ich erst einmal weiterarbeiten und mein Deutsch verbessern. Mein Traum für die Zukunft ist es, noch Zahnmedizin zu studieren und meine liebe Familie aus Eritrea wiederzusehen, die ich sehr vermisse!

Am Schluss wünsche ich, dass es FLUX für immer gibt, damit die Flüchtlinge weiterhin Hilfe bekommen werden. Dafür bin ich sehr dankbar für FLUX und liebe Marietta.

Aziz, Syrien

Mein Name ist Aziz Alahmad. Komme aus Syrien und ich bin 29 Jahre alt. Vom Alter 24 Jahre musste ich wegen Krieg meine Familie und mein Heimat verlassen. Die erste zwei Wochen waren total schwierig.  Ich hatte keine Sprachkenntnisse keine Freunde keine Familie und war fremd.
Es war mir klar ich muss vom Null anfangen.

Seit langem interessiert mich die Sozialwissenschaften und während meinem Asylverfahren wurde mir viel geholfen durch Behörden und ehrenamtlichen Mitarbeitern. Damals habe ich mich entschieden, dass ich in diesem Bereich arbeiten möchte.
Ich habe die Sprache gelernt. Und derzeit komme ich ins vierten Semester des Studiengangs Soziale Arbeit da es mein Ziel ist mich beruflich im Sozial- und Gesundheitssystem einzusetzen.

Es wäre mir Herzenswunsch in Zukunft als Sozialarbeiter zwischen den Kulturen zu vermitteln.
Vielen Dank 

Friedenspreis

Salih, Sudan

Mein Name ist Salih Mohamed, ich bin 30Jahre alt und komme aus dem Sudan. 2014 musste ich aus politischen Gründen fliehen und kam nach Deutschland.
Am Anfang war es sehr schwer. Ich habe die Sprache nicht verstanden, nicht gesprochen und war sehr einsam. Ich musste 8 Monate im Asylantenheim bleiben und durften keinen Sprachkurs machen.
Das durften nur Menschen aus 5 Herkunftsländern, bin ich nach Hildesheim gekommen. Da hatte ich dann bei Asyl ev und durch FLUX die Chance, endlich die Sprache zu lernen und Hilfe zubekommen. Ich habe Freunde gefunden und war nicht mehr so allein.

Im Sudan hatte ich schon 2 Semester Mechatronik studiert. Nun mache ich bei den Farguswerken in Alfeld eine Ausbildung zum Mechatroniker. Ich bin jetzt im 3.Lehrjahr und möchte mich nach dem Abschluss beruflich weiterbilden. Deshalb mache ich jetzt einen B2 Sprachkurs und ein Online Kurs bei Flux.
Ich habe die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, weil mir das Leben in Freiheit  sehr wichtig ist. Am 09.07.2020  habe ich die Einbürgerungsurkunde bekommen.
Ich bin jetzt Deutscher. Ich habe es geschafft.

Viele Menschen haben mir auf dem Weg geholfen, besonders bedanken möchte  ich mich bei Monika und Marietta von Flux .
Ich danke für ihre Interesse

Marietta Tebbenjohanns

Eure Geschichten, lieber Abdulkadir, lieber Saad, liebe Aster, lieber Aziz und lieber Salih, sind berührend und wir bewundern Euch für Euer Durchhaltevermögen und für Eure Leistung!
Wir FLUXler danken Euch, dass wir Euch dabei begleiten durften.

Der Friedenspreis für FLUX – was für eine große Ehre!

Ihr kommt aus Somalia, dem Irak, Eritrea, Syrien und dem Sudan –
Länder, die zum Teil untereinander im Krieg stehen,
Länder, deren Bevölkerungen sich gegenseitig nicht anerkennen.

Der Wunsch bei FLUX war von Beginn an ein friedliches Miteinander.
Egal ob Mann oder Frau, egal ob arabisch oder afrikanischer Herkunft –
wir sitzen, bei FLUX gemeinsam an einem Tisch;
in unserem Leben, gemeinsam in einem Boot.
Oft wurden wir gefragt, ob ein Miteinander der unterschiedlichen Kulturen denn überhaupt ginge. Bei FLUX schien es schnell zu gelingen. Ein guter Geist schien uns zu begleiten. Aber gelingt dieses kleine friedliche Miteinander auch draußen, in der Gesellschaft?

Heute bin ich überzeugt, dass Ihr, liebe Neubürger, Botschafter des Friedens seid!
Ihr findet einen beruflichen Platz in unserer Gesellschaft.
Einer Gesellschaft, die offen und doch gespalten ist.
Ängste machen sich schnell breit.
Ihr, mit Eurer Geschichte und Euren Persönlichkeiten löst die Ängste in Luft auf. Wer Euch begegnet hat keine Angst.
Die Vorbehalte eurer eigenen Kulturen gegenüber Fremden habt Ihr überwunden. Ihr respektiert das Fremde in uns und Euch gegenseitig!Ihr respektiert den Anderen – vielleicht die Grundbedingung für den Frieden.

Ihr seid Botschafter des Friedens.
Wer Euch begegnet ist dankbar für die Kulturerweiterung, die Ihr schenkt.
Wer Euch begegnet glaubt an die Möglichkeit einer offenen und angstfreien Gesellschaft!

Der Friedenspreis für FLUX – was für eine große Ehre!
Menschen, die auch durch FLUX einen Weg in unsere Gesellschaft finden. Diesen oft langen und steinigen Weg durften wir häufig begleiten. Wir durften Zeugen sein, wie aus entwurzelten Menschen, ohne Sprache und ohne Perspektive, Botschafter des Friedens werden.

Das kann nur gelingen, weil viele Hände viel bewirken!
Jede Hand, die jeder einzelne von FLUX gereicht hat und weiterhin noch reicht, trägt zum friedlichen Miteinander in unserer Gesellschaft bei.
Das ist eine große gemeinschaftliche Leistung, die niemand allein geschafft hätte. Ich wünsche mir, dass sich jeder FLUXler hineingenommen fühlt in die heutige, personenmäßig so kleine Preisübergabe und möchte Euch, lieben FLUXlern danken.

DANKE, für Euer großes Engagement für ein buntes und lebenswertes Miteinander, hier bei uns in Stadt und Landkreis Hildesheim!
DANKE, aber auch an die Stadt Hildesheim, die dieses Engagement mit dem Friedenspreis 2020 ehrt. Wir sind sehr berührt!

Und dass dieser Preis mit dem ersten Satz des Prologs des Johannesevangelium überschrieben ist, freut mich ganz besonders!